Die Zeit vergeht und das Leben tätowiert uns ohne dass wir es merken

Tattoos…..was ist nicht schon alles darüber geschrieben, geredet und gestritten worden.

Es gab sie schon immer und wird sie wohl auch immer geben, solange Menschen auf der Erde leben, die sich schmücken wollen, ihre Zugehörigkeit zu Stämmen zeigen wollen, ihren Gegnern Angst einjagen wollen oder einfach der Mode hinterherlaufen wollen.

Der eine liebt sie, der andere hasst sie und dem anderen sind sie egal.

Ich möchte hier weder die eine noch die andere Seite unterstützen noch will ich über die Geschichte der Tattoos berichten. Ich will nicht die Gründe nennen, warum sich Menschen Farbe unter die Haut stechen lassen oder was ich als vertretbares Motiv eines Tattoos ansehe.

Ich schreibe hier über meine Tattoos, die ein Teil meiner eigenen Geschichte sind. Wer an dieser Stelle schon die Stirn runzelt oder Gedanken wie: „wie kann man nur“ aufkommen spürt, bitte schließen und weiter nach Rezepten suchen.

Ich möchte mich weder streiten noch verteidigen müssen….ich möchte nur berichten.

Mein erstes Tattoo:

Ich war gerade 18 oder 19 Jahre alt, als sich in mir der Gedanke regte: ich möchte ein Bild auf der Haut tragen.

Was es werden sollte? Keine Ahnung

Die Zeit in der wir uns befinden ist Ende der 80er Jahre. Die Hippies waren verschwunden, Punks und Skins gab es noch. Die Popperkultur lebte neben den Vokuhilas und Schnautzer konnten 20cm unter sich oft Goldkettchen entdecken.

Die Orte, an denen man tätowiert werden konnte waren sehr überschaubar und meist in den Händen eines berüchtigten Rockerclubs vor Ort.

Ich machte mich also auf den Weg. 18 oder 19 Jahre alt, Edwin Jeans, hohe Turnschuhe, Lederjacke auf Taille geschnitten und Mittelscheitel.

Es war eine alte Spelunke in einem Problemviertel, direkt neben dem Clubhaus eines Motorradvereins, der sich bis heute mit geflügelten Totenköpfen schmückt. Am Tresen versammelten sich schätzungsweise 30 Jahre Knast.

Als ich den Saal betrat kam ich mir vor wie in einem dieser alten Western. Ein Fremder betritt eine Bar und der Klavierspieler hört auf zu spielen. Alle Blicke richteten sich auf den Fremden und das einzige Geräusch was zu hören ist, ist das unsichere Schlucken des Fremden.

Ein bärtiger Hühne sah mich über den klebrigen Tresen an und sagte, ich müsste nach Hause, meine Mutter würde sich Gedanken machen. Ich nahm allen Mut zusammen und nuschelte etwas von „Tattoo“. Der Wikinger am Ausschank griff unter den Tresen und schmiss mir drei dicke Ordner entgegen. Ich sollte mir ein Motiv aussuchen.

Ich blätterte und blätterte, bis ich etwas fand, was mir gefiel. Mit dem Finger auf dem Bild ging ich zurück zum Tresen. Ich sollte mich hinsetzen und warten. Nach einer Weile wurde ich in ein Hinterzimmer gerufen.

Der Tätowierer war ein kleiner, untersetzter bärtiger Typ, mit Seemannsmütze, der mich irgendwie an den Vater von Pipi Langstrumpf erinnerte. Sein Name war Mecki. Er zeigte mir das Bild und ich nickte. Er fragte wo ich es hin haben wollte und ich zeigte auf meinen Hintern. Mecki runzelte die Stirn und sah mich etwas skeptisch an. Dann meinte er, ich solle die Hose ausziehen und mich hinlegen.

Das stechen ging irgendwie recht schnell, ob ich Schmerzen hatte, weiß ich nicht mehr. Ich war jedenfalls zum einen froh, diesen Laden hinter mich zu lassen und zum anderen stolz wie Oskar. Ich hatte einen Indianer auf dem Arsch.

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Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte kamen immer mal wieder neue Motive dazu. Mal ein Federschmuck auf dem Oberarm, dann die Kindernamen in Runenschrift, Sternzeichen, wichtige Daten, Partnertattoos, Fantasymotive, Symbole…..

Irgendwann interessierte ich mich mehr dafür. Ich las und studierte alles was ich über die Geschichte der Tattoos finden konnte, informierte mich über Techniken und Farben. Da ich immer viel gezeichnet hatte wuchs in mir ein Gedanke. Ich wollte es selbst ausprobieren.

Es folgte monatelanges Suchen nach den richtigen Maschinen, Nadeln, Farben und Hygieneartikeln, diversen Übungen auf Obst und Übungshaut. Irgendwann war es dann soweit. Ich stach mir selbst mein erstes Tattoo.

Es folgten weitere….viele weitere. Es blieb nicht aus, das Leute in meiner Umgebung mitbekamen was ich tat und auch etwas wollten.

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So kam über die Jahre etwas ins Rollen, was vor über 25 Jahren in dieser Spelunke begann. Ich richtete mir ein Studio ein. Meine Frau als gelernte Mediengestalterin berät die Kunden bei der Motivwahl und entwirft dann in Absprache mit mir zusammen die gewünschten Vorlagen.

Es macht mir Spaß. Als Kunden haben wir mit den unterschiedlichsten Menschen und ihren Geschichten zu tun. Der eine will sich an ein verlorenes Kind erinnern, der andere ein Symbol für seinen Lieblingssport. Mädchen wollen Rosen und Schnörkel. Männer Drachen und Totenköpfe. Jeder stellt die gleichen Fragen….Wo tut es am meisten weh? Was würdest du nicht stechen? Ist schonmal jemand ohnmächtig geworden? …und irgendwann die Frage auf die ich immer warte: Dauert es noch lange????

Ich weiß, dass es unterschiedliche Meinungen über dieses Thema gibt und ich will, wie ich am Anfang schon schrieb, weder für die eine noch für die andere Seite Partei ergreifen.

Ich möchte allerdings an dieser Stelle etwas klarstellen. Auch Menschen ohne Tattoos werden alt und schrumpelig und sehen selbst mit jungfräulicher Haut nicht mehr bikinitauglich aus.

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Also: KEEP CALM AND TATTOO ON

 

….on the Road again

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….es war 1988, dunkel, kalt, November. Meine erste Fahrstunde mit dem Motorrad. In zwei Monaten sollte ich 18 werden und ich wollte Biker werden.

Der Fahrlehrer erklärte mir fröstelnd und mit roter Nase die Armaturen und sagte mir worauf ich zu achten hatte. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Ich saß auf dem Motorrad und die Beine kribbelten. Vor Kälte und vor Aufregung. Nach einer gefühlten Ewigkeit ging es dann los. Den ersten Gang reingeschmissen, Kupplung kommen lassen, ein kleiner Ruck und ab ging die Post. Mit ca 10 km/h und einem joggenden Fahrlehrer neben mir schlich ich stolz über den Bürgersteig einer Kleinstadt in Schleswig Holstein.

Am 17 Januar 1989, eine Woche nach meinem 18. Geburtstag hielt ich ihn in der Hand. Einen rosa Lappen mit meinem Bild drauf und der Fahrerlaubnis Klasse 1.

Ich war jetzt Biker, Rocker, King of the Road.

Meine 1. Maschine war eine alte silberne Vespa, die mir ein Cousin schenkte. Das ich irgendwie nur Rocker 2. Klasse war merkte ich erst nach und nach. Anfangs dachte ich, es sei ein Versehen, dass die anderen Motorradfahrer mich nicht grüßten. Später überlegte ich, ob ich vielleicht den falschen Helm trug oder mit der falschen Hand grüßte.

Ich schilderte einem Freund mein Problem. Der lachte bloß und sagte, Biker grüßen doch keine Rollerfahrer. Mist, ich war gar kein Rocker, ich war anscheinend ein Mod.

Ich versuchte das Beste aus meinem Schicksal zu machen und motzte die Vespa auf. Weißwandreifen, verchromte Anbauteile, ein paar Lampen mehr, eine weiße Sitzbank….Wenigstens die Rollerfahrer grüßten mich nun.

Ein paar Monate später machte mir ein Kumpel ein Angebot. Er wollte sein Motorrad verkaufen, weil er sich für ein neues entschieden hatte. Ich schlug zu und hatte mein erstes eigenes Motorrad. Eine Yamaha SR 500. 1 Zylinder mit Kickstarter, 34 PS und 130 km/h Spitzengeschwindigkeit. Jetzt aber…endlich Biker. Eine Kutte wurde gekauft, ein Helm mit dunklem Visier und Motorradstiefel. Ich war der König der Landstrassen.

Im Laufe der Jahre traten eine ganze Menge Motorräder in mein Leben und wieder raus. Ich fuhr Chopper, Rennmaschinen, Cruiser, Enduros und sogar eine Vespa war irgendwann wieder dabei.

Das merkwürdige am Bikertum fand ich immer, wie spießig doch die sogenannten Outlaws und Rocker und wie auch immer sie sich nennen mögen sind. Für jedes Motorrad brauchst du die richtigen Klamotten, den richtigen Helm, die richtigen Stiefel. Deine Maschine darf keine von der Stange sein, du mußt rumbasteln, lackieren, tunen. Racer grüßen keine Endurofahrer, Chopper- nur Chopperfahrer, Biker keine Rollerfahrer, Rollerfahrer nur Rollerfahrer und Harleysnobs nur andere Harleyfahrer.

Puh….und ich dachte der Führerschein wäre das Schwierigste.

23 Jahre nach Bestehen meines Führerscheins. Entschloß ich mich dazu Schluß zu machen. Genug geheizt, genug Fliegen gefressen, genug nassen Arsch bekommen, genug „um ein Haar hätte es geknallt“. Ich verkaufte mein letztes Motorrad. Eine schwarze Suzuki Bandit 1200, 98 PS, 220 km/h Spitze.

Ich war nun Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer, ungegrüßt….

Vier Jahre ist das nun her…..und was soll ich sagen, es hat wieder gejuckt….ich habe gegoogelt, in Foren gestöbert und mich heiß gelesen, geredet und gedacht. Mit meiner Frau gesprochen, nicht auf Widerstand gestoßen und zack…ich fand sie. Der Grund warum ich vor 26 Jahren Führerschein gemacht habe.

Ich hab`s getan, ich habe mir eine Harley gekauft. Midlife crisis hin oder her. Ich bin weder Banker noch Zahnarzt und ich grüße auch Fahrer anderer Fabrikate. Ich bastel noch selbst ohne Werkstatt und ich fahre auch bei schlechtem Wetter, auch wenn ich früher noch nie so oft ein Motorrad geputzt und gewienert habe.

Ich gehöre jetzt dazu… „die Harleygesellschaft“…oder doch nicht? Im Vertrauen wurde mir gesagt, es müsste schon eine Road King, Street Glide oder Fat Boy, am besten aber eine V-Rod sein. IHR KÖNNT MICH MAL!

Ich trage weder Fransenjacke noch Harleywerbung auf den Klamotten. Ich fahre weil`s mir Spaß macht!

 

KEEP CALM AND RIDE ON

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